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Vielleicht haben manche von euch noch dämmrig im Kopf, wie wir Mitte April auf der ACC für ein ganz besonderes Atelier Spenden gesammelt haben. Das Atelier Neuhauserstadl befindet sich unweit des Schloss Hartheims und gibt geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen die Möglichkeit, sich durch künstlerisches Schaffen auszudrücken. Gefühle, Ängste, Wünsche, Hoffnungen und Gedanken können hier nonverbal zum Ausdruck gebracht werden. Man spricht bei dieser Art der Kunst von „Art brut“.

„Die Art brut ist ein Sammelbegriff für autodidaktische Kunst von Laien, Kindern, Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen Behinderung. Art brut beschreibt eine Kunst jenseits etablierter Formen und Strömungen. Im anglo-amerikanischen Sprachraum ist stattdessen der Begriff Outsider Art („Außenseiter-Kunst“) gebräuchlich.“

– Wikipedia: Artikel „Art Brut“  [Abgerufen am 13.08.2019]

Praktikum zwischen Stifte spitzen und Gesprächspartner sein

Nachdem ich mit meiner Schulklasse schon einmal eine kleine aber feine Führung durch die Räumlichkeiten des Ateliers bekommen hatte, war ich von dem Geschehen dort begeistert. Die Atmosphäre, die dort auf die Klienten und Klientinnen wartet, gleicht irgendwie der eines entspannten Künstlercafes. Ein kleines Radio spielt im Hintergrund eine Mischung aus Klassikern der Achziger und Schlagersongs. Im Innenhof stehen alle erdenklichen Pflanzenarten, welche in leeren Marmeladendosen vor sich hinwachsen. Hinten rechts steht eine alte Filterkaffeemaschine, die mir über die Woche einige Male den Morgen versüßt hat.

Trotzdem war ich natürlich ein wenig nervös, als ich an einem Montag im Juli das unscheinbare Häuschen betrat. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, was genau ich da eigentlich machen sollte, wie ich mit den verschiedensten Charakteren umgehen sollte und was mich dort erwarten würde. Aber ich kann schon vorweg sagen, dass diese Woche mich viel mehr gelehrt hatte, als ich mir hätte vorstellen können.

„Ich zeig dir mein Bild vom Nikolaus“

Die Menschen, auf die ich dort getroffen habe, könnten unterschiedlicher und gleicher nicht sein. Einige haben mich einen Vormittag lang ausgefragt, oft das Selbe und manchmal Dinge, von denen ich offensichtlich keine Ahnung hatte. „Wie heißt du und wo ist die letzte Kodex-Seite in Assasin’s Creed 2?“ Manche von ihnen hatten Sprachprobleme oder haben kaum bis gar nicht geredet. Einer hat immer heimlich Stifte mitgehen lassen, einer hatte immer ein „Inspirationsbild“ von einem Mann im Nikolauskostüm dabei, einer war ziemlich fixiert auf Katzen und hat Politiker, Bekannte, Freunde und sogar mich mit Katzen gezeichnet.

Manche haben nur ein halbes A3 Blatt in zwei Stunden bemalt, andere haben knapp 60 Werke gefertigt. So habe ich also langsam im Prozess meine Aufgaben wahrgenommen. Papier zuschneiden, verschiedene Materialien anbieten, Gesprächspartner sein und Stifte spitzen – sehr, sehr viele Stifte spitzen. Davon habe ich mir über die Woche 6 Blasen an den Händen zugezogen. Zudem habe ich nebenbei immer selbst kleine Zeichnungen für die Klienten und Klientinnen angefertigt und sie ihnen als Geschenk mitgegeben. Ich habe so, so viele liebe Zeichnungen von den Menschen dort bekommen – diese werden meine weiße Zimmerwand schmücken, sobald ich neue Bilderrahmen habe.

Mein Chef, der Alfred

Mein Chef, der Leiter des Ateliers, Alfred, hat selbst Kunst studiert und ist schon seit über 20 Jahren im Atelier tätig. Meiner Meinung nach ist er derjenige, der die Atmosphäre für die Künstler schafft. Er war mir nicht nur ein hervorragender Chef, sondern hat mir auch bewusst und unbewusst viel beigebracht, auf das ich noch oft in meinem Leben zurückgreifen werde. Dafür bin ich ihm für immer dankbar. Einmal bin ich in der Mittagspause im Garten eingeschlafen und verschwitzt und gestresst aufgewacht, weil ich mir dachte: „Fuck Mary, das kannst du doch auf der Arbeit nicht bringen!“ Dann habe ich ein paar Meter weiter den Alfred schnarchen gehört und wusste, dass ich wohl nie einen besseren Job als diesen hier finden werde. Dem Alfred habe ich an meinem letzten Tag eine Nussschnecke vom Bäcker mitgebracht, und ein klein wenig geweint hab ich auch.

Die Menschen, die ich im Laufe dieser Woche kennenlernen durfte, haben mir so viel Herzlichkeit entgegengebracht und ich wäre wirklich gern noch ein bisschen länger geblieben. Ich habe gelernt, mit Gestik und Mimik zu kommunizieren und sensibler auf andere Menschen einzugehen. Es fällt mir schwer zu definieren, was die Stimmung im Atelier zu so einer besonderen macht. Vielleicht ist es der Standort, vielleicht sind es die bunten Wände und der wunderschöne Garten, vielleicht ist es die ruhige aber bestimmte Art von Alfred – oder einfach alles zusammen. Ich hoffe einfach, dass Orte wie dieser erhalten bleiben und bin nun stolzer als zuvor, dass unser Verein mit euren Geldspenden dazu beigetragen hat. Und mit diesen Worten beende ich nun meinen etwas lang geratenen „Praktikumsbericht“. Seid’s herzlich und tut, was ihr liebt! 🙂

Bussi,
Eure Mary

Alle Bilder wurden unserer Mary gemacht!